Vier neue Berufskrankheiten ab dem 01.01.2015

Nicht jede Krankheit, von der man meint, sie komme von der Arbeit ist sogleich auch eine Berufskrankrankheit. Für Dachdecker, KfZ-Mechaniker, (z. B. Schläge auf Schraubenschlüssel zum Lösen festsitzender Muttern, Montieren von Radkappen, Ausbeulen von Karosserieteilen mit der Faust), Möbeltransporteure (z. B. Stoßen, Schieben oder Tragen schwerer Gegenstände), Installateure (z. B. Schläge auf Schraubenschlüssel zum Lösen von Schrauben oder Muttern), Schreiner , Fußbodenverleger, Mechaniker, Elektriker, Maschinisten, Forstarbeiter, Gärtner, Landwirte, Bergleute, Zimmerleute, Bauarbeiter, Maurer, Stahlbauschlosser, Schweißer an Brücken, Straßenarbeiter und viele andere Berufsgruppen gibt es neue Hoffnung in ihrem Kampf um die Anerkennung einer beruflich bedingten Erkrankung als Berufskrankheit. Das Bundeskabinett hat am 05. 11.2014 eine Verordnung beschlossen, mit der vier Krankheiten neu als Berufskrankheiten anerkannt werden.


BK-Nr. 1319: Larynxkarzinom durch intensive und mehrjährige Exposition gegenüber schwefelsäurehaltigen Aerosolen.

BK-Nr. 2113: Druckschädigung des Nervus medianus im Carpaltunnel (Carpaltunnel-Syndrom) durch repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Handgelenke, durch erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen

BK-Nr. 2114: Gefäßschädigung der Hand durch stoßartige Krafteinwirkung (Hypothenar-Hammer-Syndrom und Thenar-Hammer-Syndrom)"

BK-Nr. 5103: Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung


Die neuen Berufskrankheiten folgen der Empfehlung des wissenschaftlichen Beirats "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die Betroffenen haben Anspruch auf Heilbehandlung aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Bei Arbeitsunfähigkeit oder dauerhafter Erwerbsminderung können auch Ansprüche auf Geldleistungen bestehen. Der Verordnung müssen noch die Länder zustimmen. Betroffene können sich aber bereits jetzt bei ihren Unfallversicherungsträgern melden.

Nach dem derzeitigen Gesetzesstand versteht man im Übrigen unter den jeweiligen Berufskrankheiten in etwa folgendes:

Berufskrankheit Nummer 1319: Larynxkarzinom durch intensive und mehrjährige Exposition gegenüber schwefelsäurehaltigen Aerosolen

Unter der Nummer 1319 wird als neue Berufskrankheit in die Anlage 1 zur Verordnung die Erkrankung „Larynxkarzinom durch intensive und mehrjährige Exposition gegenüberschwefelsäurehaltigen Aerosolen" aufgenommen. Schwefelsäure ist eine der wichtigsten und stärksten anorganischen Säuren. Sie wird in großen Mengen insbesondere zum Herstellen von Ethanol und Isopropanol, zum Beizen von Metallen und als Akkumulatorensäure für Bleiakkumulatoren benötigt. Darüber hinaus findet Schwefelsäure Verwendung in der Düngemittelindustrie bei der Herstellung mineralischer Düngemittel, in der Kunstseidenindustrie, beim Entfetten und Entölen, bei der Papierherstellung, in der Seifenindustrie und für eine Vielzahl von Prozessen in der Farbstoff-, Kunststoff- und Sprengmittelindustrie.

In der Luft tritt Schwefelsäure als Aerosol auf. Durch Aufnahme der Schwefelsäureaerosole kommen diese zunächst in Kontakt mit der Schleimhaut der oberen Atemwege und gelangen dann in Abhängigkeit von der Teilchengröße unterschiedlich tief in den Atemtrakt. Schwefelsäure wirkt in Abhängigkeit von der Konzentration stark irritierend bis ätzend-verkohlend. Infolge von Verdünnungseffekten durch das feuchte Milieu in den Atemwegen ist für die nachhaltige gesundheitsschädliche Wirkung das ursprüngliche Vorhandensein stärkerer bis stark konzentrierter schwefelsäurehaltiger Aerosole erforderlich. Der kausale Zusammenhang zwischen der Entstehung von Larynxkarzinomen und der Exposition gegenüber Schwefelsäureaerosolen oder schwefelsäurehaltigen Aerosolen von starken mineralischen Säuregemischen ist pathophysiologisch eindeutig belegt.

Diese Erkenntnis wird in validen epidemiologischen Studien bestätigt, die eine entsprechende signifikante Risikoerhöhung aufzeigen. Auch tierexperimentelle Studien mit wiederholter Verabreichung von Schwefelsäure haben bei hoher Konzentration nekrotische Veränderungen, bei niedrigerer Konzentration Plattenepithelmetaplasien am Larynx gezeigt. Nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand gibt es keine belastbare Grundlage dafür, dass sich die kanzerogene Wirkung von Schwefelsäure auf das Zielorgan Larynx bei Rauchern und Nichtrauchern unterscheidet.

Als „bestimmte Personengruppen", die durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad der Gefahr ausgesetzt sind, ein Larynxkarzinom zu entwickeln als die übrige Bevölkerung, gelten Personen, die arbeitsbedingt einer intensiven und mehrjährigen Exposition gegenüber schwefelsäurehaltigen Aerosolen ausgesetzt sind.

Unter einer intensiven Schwefelsäureeinwirkung im Sinne der Legaldefinition wird eine Expositionshöhe von 0,2 mg/m³ und mehr verstanden. Intensive Expositionen in diesem Sinn treten beispielhaft bei Herstellungs- und Anwendungsprozessen in der Isopropanolproduktion und der Metalloberflächenbehandlung (potentiell hohe Exposition) sowie der Ethanolproduktion, der Seifenherstellung und der Salpetersäureproduktion (potentiell mittelhohe Exposition) auf.

Unter einer mehrjährigen Exposition im Sinn dieser Berufskrankheit ist nach epidemiologischen Erkenntnissen eine mindestens fünfjährige, vollschichtige Exposition zu verstehen.

Berufskrankheit Nummer 2113: Druckschädigung des Nervus medianus im Carpaltunnel (Carpaltunnel-Syndrom) durch repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Handgelenke, durch erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen

Unter der Nummer 2113 wird als neue Berufskrankheit in die Anlage 1 zur Verordnung die Erkrankung „Druckschädigung des Nervus medianus im Carpaltunnel (Carpaltunnel- Syndrom) durch repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Handgelenke, durch erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen" aufgenommen.

Bei dem Carpaltunnel-Syndrom (CTS) handelt es sich um eine meist chronische Kompressionsneuropathie des Nervus medianus im Bereich des Handgelenkes. Infolge einer Überbeanspruchung des Sehnengleitgewebes kommt es durch die in der Legaldefinition aufgeführten arbeitsbedingten Belastungen zu einer Anschwellung des Synovialgewebes und einer Verdickung der Sehnenscheiden. Wegen der engen und starren Begrenzung des Carpaltunnels führt dies zu einer entsprechenden Druckerhöhung in dem Kanal, die eine Kompression und dadurch bedingte Schädigung des Nervus medianus zur Folge hat.

Die schädigenden Einwirkungen sind gekennzeichnet durch

 

  • repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Hände im Handgelenk,
  • erhöhten Kraftaufwand der Hände (kraftvolles Greifen) oder
  • Einwirkung von Hand-Arm-Schwingungen, z. B. durch handgehaltene vibrierende Maschinen (handgeführte Motorsägen und Steinbohrer)



die zu einer Volumenzunahme mit Druckerhöhung im Carpaltunnel führen. Das Risiko erhöht sich bei einer Kombination dieser Faktoren. Insbesondere beim Umgang mit handgehaltenen vibrierenden Werkzeugen ist davon auszugehen, dass diese mit Kraftaufwand der Fingerbeuger und entsprechenden Zwangshaltungen der Finger und im Handgelenk festgehalten werden müssen, sodass sich hier mehrere Expositionskomponenten überlagern. Das Krankheitsbild eines CTS beginnt meist mit örtlichen Schmerzen im Handgelenk, vor allem bei der Beugung der Hand zum Handrücken hin (Dorsalflexion), die gelegentlich auch bis in die Schulter ausstrahlen können. In der Regel kommen dann eine verminderte Berührungs- und Drucksensibilität (Hypästhesie) und Missempfindungen (Parästhesien) im Versorgungsgebiet des Nervus medianus, später auch eine Muskelatrophie des Daumen- ballens hinzu. Charakteristischerweise verstärken sich die Beschwerden bei Handbewegungen, bei denen der Druck im Carpaltunnel ansteigt.

Ganz überwiegend ist die dominante Hand befallen. Bei bestimmten Berufen können unabhängig von der Händigkeit aufgrund der Belastungssituation auch an der nichtdominanten Hand Beschwerden auftreten. Ein bilaterales Auftreten ist möglich; dann ist aber die Intensität der Beschwerden in der mehr beanspruchten Hand höher.

Der kausale Zusammenhang zwischen repetitiven manuellen Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Hände im Handgelenk oder erhöhtem Kraftaufwand der Hände oder Hand-Arm-Schwingungen und der Entstehung eines CTS ist aus pathophysiologischerund epidemiologischer Sicht gesichert. Im Laborexperiment wurde ein Druckanstieg im Carpaltunnel unter entsprechender Belastung nachgewiesen (biologische Plausibilität), nach Expositionsende kam es zu einer Druck-Entlastung im Carpaltunnel. In einer Vielzahl von Studien wurde eine im Vergleich zu nicht exponierten Personen mindestens um das Doppelte erhöhte signifikante Risikoerhöhung festgestellt. Die Ergebnisse wurden vielfach repliziert und lassen sich regelmäßig in den verschiedenen untersuchten Subgruppen aufzeigen. Bei höheren manuellen Belastungen zeigen sich höhere CTS-Erkrankungsrisiken als deutlicher Hinweis auf ein Dosis-Effekt-Kriterium. Für Personen, die einer Kombination der Belastungsfaktoren ausgesetzt sind, ist das Erkrankungsrisiko besonders hoch.

Zum zeitlichen Verlauf bis zum Auftreten der Krankheit liegen in der medizinischen Wissenschaft unterschiedliche Angaben vor, ganz überwiegend reichen aber kurze Expositionszeiten von weniger als zwölf Monaten aus. Ein Kausalzusammenhang ist plausibel, wenn der Erkrankungsbeginn in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Exposition steht.

Als „bestimmte Personengruppen", die durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade der Gefahr ausgesetzt sind, ein CTS zu entwickeln, als die übrige Bevölkerung, gelten z. B. Personen, die als Fleischverpacker, Fließbandarbeiter in der Automobilindustrie, Forstarbeiter beim Umgang mit handgehaltenen vibrierenden Werkzeugen (Motorsägen), Geflügelverarbeiter, Kassierer im Supermarkt mit Umsetzen von Lasten, Masseure, Polsterer oder Steinbohrer den dargestellten Belastungen ausgesetzt sind. Arbeiten mit einer Computertastatur gehören nicht dazu.

Berufskrankheit Nummer 2114 Gefäßschädigung der Hand durch stoßartige Krafteinwirkung (Hypothenar-Hammer-Syndrom und Thenar-Hammer-Syndrom)

Unter der Nummer 2114 wird als neue Berufskrankheit in die Anlage 1 zur Verordnung die Erkrankung „Gefäßschädigung der Hand durch stoßartige Krafteinwirkung (Hypothenar-Hammer-Syndrom und Thenar-Hammer-Syndrom)" aufgenommen.

Beim Hypothenar-Hammer-Syndrom (HHS) handelt es sich um eine Gefäßwandschädigung im Bereich des Kleinfingerballens (Hypothenar) der Hohlhand bei der Verwendung der Hand, Handkante oder des Kleinfingerballens als Schlagwerkzeug oder bei Tätigkeiten mit direkter mechanischer Gewalteinwirkung auf diese anatomische Region. Ursache der Schädigung sind die einmaligen, meist aber wiederholten oder chronischen stumpfen Gewalteinwirkungen - auch in Form von Vibrationen - auf die handversorgenden Abschnitte der Arteria ulnaris, die zu einer traumatischen Endothelläsion des Gefäßes führen. Aufgrund der Gefäßveränderungen kommt es zu Durchblutungsstörungen der betroffenen Finger. Meist sind hiervon die Finger III bis V betroffen, durch embolische Verschlüsse können auch weitere Finger, insbesondere der Finger II, betroffen sein. Die Beschwerden können akut, aber auch Stunden, Tage oder Monate nach der ursprünglichen Traumatisierung auftreten und werden durch Kälteexposition und Beanspruchung der Hand verstärkt.

Wird der Daumenballen (Thenar) einmalig oder wiederholt Kontusionen in Form stoßartiger Gewalteinwirkung - auch in Form von Vibrationen - ausgesetzt, kann es in der Thenarregion zu einer Läsion der Arteria radialis - entsprechend der Gefäßschädigung beim HHS - kommen, dem sogenannten Thenar-Hammer-Syndrom (THS).

HHS und THS werden in Abhängigkeit von der Einwirkung der stumpfen Gewalt sowohl einseitig als auch beidseitig beobachtet. Der kausale Zusammenhang zwischen der Gewalteinwirkung auf die anatomischen Regionen des Kleinfinger- bzw. des Daumenballens und der Entstehung eines HHS sowie eines THS ist pathophysiologisch eindeutig belegt. Diese Erkenntnis wird in einer Vielzahl von Kasuistiken bestätigt. Darüber hinaus liegen valide epidemiologische Studien vor, die eine signifikante Risikoerhöhung aufzeigen, bei beruflicher Verwendung der Hand in der beschriebenen Art und Weise ein HHS zu erleiden.

Dieses Ergebnis wurde zuletzt auch in einer deutschlandweiten multizentrischen Fall-Kontroll-Studie im Jahr 2011 bestätigt. Als „bestimmte Personengruppen", die durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade der Gefahr ausgesetzt sind, ein HHS oder ein THS zu entwickeln als die übrige Bevölkerung, gelten Personen, die einmaligen, meist jedoch wiederholten bzw. chronischen Einwirkungen stumpfer Gewalt - auch in Form von Vibrationen - im Hypothenarsowie im Thenarbereich der Hohlhand ausgesetzt sind. Derartige Tätigkeiten kommen u. a. in folgenden Berufsgruppen vor:

 

  • Dachdecker/Zimmerleute (z. B. Benutzen der Hand als Schlagwerkzeug zum Einrichten von Dachsparren)
  • Kfz-Mechaniker (z. B. Schläge auf Schraubenschlüssel zum Lösen festsitzender Muttern, Montieren von Radkappen, Ausbeulen von Karosserieteilen mit der Faust)
  • Möbeltransporteure (z. B. Stoßen, Schieben oder Tragen schwerer Gegenstände)
  • Installateure (z. B. Schläge auf Schraubenschlüssel zum Lösen von Schrauben oder Muttern)
  • Schreiner
  • Fußbodenverleger
  • Mechaniker
  • Elektriker
  • Maschinisten
  • Forstarbeiter
  • Gärtner
  • Tätigkeit in der Landwirtschaft
  • Bergleute
  • Steinbohrer



Zur Berufskrankheit Nummer 5103 Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung

Unter der Nummer 5103 wird als neue Berufskrankheit in die Anlage 1 zur Verordnung die Erkrankung „Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung" aufgenommen.

Plattenepithelkarzinome der Haut sind maligne epitheliale Tumoren und gehen von den Keratinozyten der Epidermis aus. Sie wachsen destruktiv und metastasieren. Aktinische Keratosen sind raue, schuppende Hautveränderungen. Sie manifestieren sich als Makulae, Papeln oder Plaques, die hautfarben bis rötlich oder rötlich-braun imponieren; ihre Größe kann dabei von etwa einem Millimeter bis zu etwa zwei Zentimeter im Durchmesser reichen. Aktinische Keratosen treten nahezu ausschließlich in solar UV-belasteten Hautarealen, den sogenannten "Sonnenterrassen", auf, insbesondere an Kopf und Hals, Dekolleté, Armen, Handrücken, sowie am Lippenrot der Unterlippe. Bei etwa 10 Prozent aller Patienten mit aktinischen Keratosen wird im weiteren Verlauf der Übergang in ein invasives Plattenepithelkarzinom der Haut beobachtet. Als multipel im Sinne dieser Berufskrankheit gelten aktinische Keratosen wenn sie
 

  • mit einer Zahl von mehr als 5 pro Jahr einzeln oder
  • konfluierend in einer Fläche von größer als 4 cm² (Feldkanzerisierung) auftreten.



UV-Strahlung ist die bedeutendste Ursache für Plattenepithelkarzinome der Haut und aktinische Keratosen. UV-Strahlung wird nach ihrer Wellenlänge in UVA- (315-400 nm), UVB- (280-315 nm) und UVC-Strahlung (100-280 nm) eingeteilt, wobei wir auf der Erde aus natürlichen Quellen nur der von der Sonne emittierten UVA- und UVB-Strahlung ausgesetzt sind. UV Strahlung (insbesondere UVB-Strahlung) wirkt durch Schädigung der DNA in den Keratinozyten direkt kanzerogen. Darüber hinaus kann UVA-Strahlung auch indirekt durch die Schwächung des zellulären Immunsystems die Krebsentstehung fördern.

Grundsätzlich werden in Plattenepithelkarzinomen die gleichen Mutationen der sogenannten Tumorsupressorgene (p53) gefunden wie bei aktinischen Keratosen.

Der kausale Zusammenhang zwischen UV-Strahlung und der Entstehung von Plattenepithelkarzinomen der Haut und aktinischen Keratosen ist aus pathophysiologischer, experimenteller und epidemiologischer Sicht gesichert. Diese Erkenntnis ist auch durch die klinische Verteilung und durch molekularbiologische Untersuchungen gut belegt. Die grundsätzliche Geeignetheit von natürlichen UV-Strahlen für die Entwicklung von Plattenepithelkarzinomen der Haut ist wissenschaftlich unumstritten.

Epidemiologische Studien zeigen einen konsistenten, vielfach replizierten, statistisch signifikanten und klinisch relevanten Zusammenhang zwischen arbeitsbedingter UVExposition und steigendem Risiko für die Entwicklung von Plattenepithelkarzinomen der Haut. Ein systematischer Review und eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2011 haben epidemiologisch eindeutig nachgewiesen, dass Berufstätige mit langjähriger Außenbeschäftigung ein signifikant höheres Plattenepithelkarzinom-Risiko gegenüber Personen haben, die nicht im Freien arbeiten.

Insgesamt belegt die epidemiologische Evidenz die Erkenntnis, dass in Deutschland Beschäftigte mit langjähriger Außentätigkeit im Vergleich zur übrigen Bevölkerung ein im Durchschnitt etwa verdoppeltes Risiko für die Entwicklung von Plattenepithelkarzinomen haben. Als „bestimmte Personengruppen", die durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade der Gefahr ausgesetzt sind, ein beruflich verursachtes Plattenepithelkarzinom oder multiple aktinische Keratosen der Haut zu entwickeln als die übrige Bevölkerung, gelten Personen, die durch Arbeiten im Freien eine besondere solare UV-Exposition in ihrer Arbeitstätigkeit haben. Dazu gehören insbesondere die Bereiche:
 

  • Land- und Forstwirtschaft
  • Fischerei und Seefahrt
  • Baugewerbe und Handwerk (z. B. Dachdecker, Zimmerleute, Bauarbeiter, Maurer, Stahlbauschlosser, Schweißer an Brücken)
  • Straßenarbeiten
  • Tätigkeit als Bademeister, Bergführer u. ä.



Besonders zu berücksichtigen sind dabei Arbeiten im Ausland in südlichen Ländern. Für die aufgeführten Berufsgruppen liegen personendosimetrische Messdaten vor, die eine relevante arbeitsbedingte Exposition gegenüber natürlicher UV-Strahlung belegen.

Sowohl aus den epidemiologischen als auch experimentellen Studien kann zusammenfassend hinsichtlich der UV-Belastung bei Außenarbeitern ein etwa 2- bis 3fach höherer Anteil gegenüber nicht Außenbeschäftigten abgeleitet werden. Die Ableitung eines Dosis-Maßes im Sinn einer wissenschaftlich begründeten Dosis-Wirkungs-Beziehung als Mindesteinwirkung und Abschneidekriterium ist aufgrund der vielfältigen Einflussfaktoren für die Entstehung der Krankheiten aus der epidemiologischen Literatur nicht möglich. Allerdings kann aus der wissenschaftlichen Datenlage und der klinischen Erfahrung die Grundannahme abgeleitet werden, dass eine zusätzliche arbeitsbedingte UV-Belastung von 40 Prozent in dem Hautareal, in dem sich der Tumor entwickelt hat, für eine überwiegend arbeitsbedingte Verursachung spricht. Dieser Wert hat den Charakter einer wissenschaftlichen Konvention und kann der Kausalfeststellung im Einzelfall zugrunde gelegt werden. Die entsprechenden individuellen UV-Belastungen sind im Rahmen des Feststellungsverfahrens zu ermitteln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Freien Beschäftigte einer höheren Belastung ausgesetzt waren, wenn sie beispielsweise in den Tropen oder in großer Höhe gearbeitet haben. Wurde nur ein Teil des Tages im Freien gearbeitet, muss die Tätigkeit entsprechend länger ausgeübt worden sein.

Der Hauttyp spielt grundsätzlich keine Rolle für die Anerkennung als Berufskrankheit, da er das Risiko für die Krebsentstehung durch die außerberufliche und die berufliche UVBelastung gleichermaßen modifiziert. Der Hauttyp hat aber einen Einfluss auf den möglichen Zeitpunkt des Auftretens der Erkrankung. Aktinische Keratosen, die die Voraussetzungen dieser Berufskrankheit nicht erfüllen, können sich zu multiplen aktinischen Keratosen oder invasiven Plattenepithelkarzinomen weiter entwickeln. Daher können beim Auftreten einzelner aktinischer Keratosen Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung angezeigt sein.

Zu weiteren bösartigen Erkrankungen der Haut wird auf Folgendes hingewiesen:
 

  • UV-Strahlung ist generell auch für die Entstehung von Basalzellkarzinomen ein Risikofaktor. Die Erkenntnislage aus den bisher vorliegenden epidemiologischen Studien lässt aber - anders als beim Plattenepithelkarzinom - noch keine eindeutige Aussage über die Risikoerhöhung durch eine arbeitsbedingte Exposition zu.
  • Das maligne Melanom wird in verschiedene Subtypen unterteilt, die unterschiedlich durch UV-Expositionen beeinflusst werden.



Die Erkenntnisse zum Ursachenzusammenhang zwischen einer arbeitsbedingten UV-Exposition und malignen Melanomen sind bisher unzureichend.

Basalzellkarzinome und maligne Melanome sind deshalb nicht Gegenstand dieser Berufskrankheit. Ein Zusammenhang zwischen arbeitsbedingter Belastung mit künstlicher UV-Strahlung und dem Auftreten von Malignomen an der Haut kann aus epidemiologischen Studien derzeit nicht abgeleitet werden.

Bei der Anmeldung und Durchsetzung Ihrer Ansprüche gegenüber Ihrer zuständigen Berufsgenossenschaft sind Ihnen Rechtsanwälte Ebener und Siebold gerne behilflich.

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